Ein überaus anstrengendes Corona-Schuljahr geht in wenigen Wochen zu Ende. Schüler, Eltern und Lehrer der Eduard-Mörike-Gemeinschaftsschule ziehen eine gemischte Bilanz.
Bad Mergentheim. Wie war es für Sie? Ist es ein verlorenes Schuljahr? Was lief gut, was nicht? Welche Konsequenzen müssen aus den Erfahrungen gezogen werden? Welche Ausrüstung fehlt wo? Und was sind die Erwartungen fürs neue Schuljahr?
Fragen über Fragen, die die Rektorin der Eduard-Mörike-Schule (EMS) Bad Mergentheim, Lehrer, aber auch der Elternbeiratsvorsitzende, Schüler- und Klassensprecher beantworten.
Rektorin Nicole Floeder: „Ich bin froh, wenn das Schuljahr vorbei ist. Es war ein anstrengendes Jahr, das immer nur um das eine Thema Corona kreiste. Ich glaube als Schule ist es uns gut gelungen die Lernenden mit dem Onlineunterricht zu erreichen und so auch Lernen von zu Hause zu ermöglichen. Die Leihgeräte für die Lernenden kamen rasch an die Schule und so erreichten wir jeden.
Es ist kein verlorenes Schuljahr, aber ein anderes Schuljahr. Die Lernenden haben Dinge gelernt, die sie bei normalem Schulbetrieb so nicht gelernt hätten, zum Beispiel digitales Arbeiten und das Verhalten in Videokonferenzen. Andererseits konnten Lerninhalte nicht immer gut alle Lernenden erreichen. Manche waren mit der Situation im Fernunterricht überfordert, hatten wenig Unterstützung und waren auch für uns teils schwer zu erreichen. Es wird schon noch Zeit brauchen, Lerninhalte dieses Schuljahrs zu festigen und wirklich zu verankern.
Die Corona-Krise hat Schule deutlich schneller digitalisiert als es sonst wahrscheinlich passiert wäre. Dennoch fehlen noch Lehrerdienstgeräte. Hier stehen wir aber in gutem Kontakt mit dem Schulträger und hoffen auf baldige Abhilfe. Gerade unser ländlicher Raum hat nicht überall stabiles Internet, hier braucht es sicher auch Verbesserungen. Eine pädagogische Konsequenz muss es sein, dass die erlernten digitalen Fähigkeiten nun im Präsenzunterricht weiterhin selbstverständlich Anwendung finden.
Ich hoffe ab Herbst sehr auf den Regelbetrieb in Präsenz und wünsche mir, dass es nur in Ausnahmesituationen zu Klassen- oder Schulschließungen kommt. Es braucht zudem ein gutes Unterstützungsprogramm von Landes- und/oder Bundesseite, um die entstandenen Wissenslücken und Lernrückstände bei den Schülern fundiert aufzugreifen und zu füllen. Das wird sicher nur über eine längerfristige Förderung möglich sein.“
Michael Haaf, Elternbeiratsvorsitzender in der EMS: „Meine persönliche Bilanz zu diesem Corona-Schuljahr ist, dass es ein verlorenes Jahr für die Kinder ist. Das lange Homeschooling war für die Kinder eine totale Überforderung.
Lobenswert war der Einsatz der Lehrkräfte. Das Ausstatten der Kinder zu Beginn war sehr problematisch, da viele das Equipment nicht zur Hand hatten. Die negativste Erfahrung war, die Kinder hatten keine Struktur, keine sozialen Kontakte, das Miteinander fehlte.
Präsenz ist Präsenz. Dies ist durch nichts zu ersetzen. Klar bemühten sich die Lehrer, Stoff einzustellen, doch den Lehrer direkt fragen zu können, ist nicht dasselbe. Deshalb sehe ich das Jahr als verloren an.“
Die technische Ausstattung müsse stimmen und stets in Schuss gehalten werden. Haaf hofft sehr, dass ab Herbst die Schüler und Lehrer wieder Struktur in den Alltag bekommen und das Leben normaler abläuft.
Tatjana Kaiser, Schülersprecherin: „Ich finde, dass man es jetzt viel mehr schätzt, wieder in der Schule und unter Menschen sein zu können.
Gut war im zurückliegenden Jahr, dass man seinen Tag besser planen und dabei selbst entscheiden konnte, wann man etwas macht. Das Lernen ist aber zu Corona-Zeiten auch deutlich schwerer gewesen.
Ein verlorenes Schuljahr war es jedoch nicht, weil wir ja trotzdem gelernt und Prüfungen abgelegt haben. Nicht alle Schüler können aber eine große Stoff-Flut einfach so allein bewältigen.
Ich wünsche mir ab Herbst kein Homeschooling mehr und hoffe, dass ich trotz des verpassen Stoffes gut in die Zukunft starten kann.“
Benedict René Müller ist Lehrer, Fachschaftsvorsitzender Sport und Klassenlehrer der 9a: Er spricht von einem Innovationsschub – auch mit Blick auf die vorangeschrittene Digitalisierung in der Schule. „Man kann per se den Präsenzunterricht nicht durch ein Homeschooling ersetzen, dennoch ist dies an vielen Stellen überraschend gut gelungen“, so Müller, der die Flexibilität innerhalb der Schule als positiven Aspekt für das vergangene Schuljahr vermerkt. Die Unterrichtsversorgung sei 1:1 nach dem Stundenplan erfolgt. Nicht gut sei der teilweise lange Prozess gewesen, bis genügend Leihgeräte zur Verfügung standen. Negative Erfahrungen seien auch das Desinteresse mancher Eltern und das noch stärkere Abfallen von Schülern aus einem eher schwierigen sozialen Umfeld.
Konsequenz: „Die Eltern müssen noch mehr am schulischen Leben beteiligt werden. Sollten Schülerinnen und Schüler Ausreden finden, um nicht am Onlineunterricht teilzunehmen, so muss ein Instrument geschaffen werden, welches auch während einer Pandemie die Schulpflicht sicherstellt“, meint Müller.
Stephan Stürmer ist Lerngruppenpenleiter 6b und Stufenleiter 5/6: „Angesichts der speziellen Herausforderungen in diesem Jahr hat sich in noch größerer Deutlichkeit als je zuvor gezeigt, wie elementar und unerlässlich die enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus ist. Wo immer diese Unterstützung und Kooperation gegeben war, können auch die Schüler trotz der massiven Erschwernisse auf gute bis sehr gute Erfolge in ihrer Lernbiografie des letzten Jahres zurückblicken.
Positive Erfahrungen durften wir, trotz einiger Schwierigkeiten in den Details, mit der Technik und dem Handling durch die Schüler machen. Negativ aufgefallen sind leider einige Schüler, mit welchen schon zuvor, im regulären Unterricht, immer wieder Konflikte in Sachen Arbeitswille und Disziplin aufgetreten sind. Hier haben sich teilweise die bestehenden Probleme noch verschärft.
Die geänderten Modalitäten des Unterrichts auf Distanz haben beispielsweise schüchternen oder im regulären Unterrichtsgeschehen eher im Hintergrund bleibenden Schülern ganz neue Entfaltungsmöglichkeiten eröffnet, so dass sich durchaus auch Leistungen verbessern konnten.
Ich bin zuversichtlich, dass wir alle gestärkt aus dieser schwierigen Zeit hervorgehen und die große Solidarität, welche immer wieder zu Tage trat, auch in die Zukunft hinein tragen wird.“
Petra Rüdenauer, Elternbeirätin, Klasse 8a: Als positiv im Corona-Schuljahr bewertet sie, dass die Schule „sehr schnell im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf die Veränderungen reagiert hat.
Negativ empfand ich für die Kinder das fehlende soziale Umfeld. Als Gefahr sehe ich zudem an, dass das Lernpensum durch mangelnde Motivation der Schüler gar nicht oder nur das Notwendigste umgesetzt wurde.“
Welche Konsequenzen müssen gezogen werden? Rüdenauer: „Ich finde ein gesunde Mischung aus Präsenzunterricht und Homeschooling noch immer die beste Lösung. Eine bessere Kommunikation zwischen Schul- und Politik-Verantwortlichen wäre wünschenswert, weil in meinen Augen etliche Maßnahmen praktischer durchdacht sein sollten, zum Beispiel halbe Klassen an den Schulen, während es aber lange Zeit in den Bussen im Schülerverkehr keine Veränderungen gab. Wir Eltern hoffen jetzt auf ein normales Schuljahr 2021/22!“
Luca Hentschel, Klassensprecher der 8b: „Man musste sich am Anfang an das Homeschooling gewöhnen, das klappte dann allerdings bald relativ gut.
Ich fand es positiv, dass trotz des Lockdowns der Unterricht weiter lief. Wir haben über die Videoplattform Jitsi unseren Unterricht nach Stundenplan mit unseren Lehrern gehabt und nicht einfach nur Arbeitsblätter bekommen. Als negative Erfahrung in diesem Corona-Schuljahr würde ich bezeichnen, dass viele die Ausrede ,Mein Internet geht gerade nicht’ für sich genutzt haben, um dem Unterricht fernzubleiben.“
Ist es ein verlorenes Schuljahr? Wenn ja, warum? Hentschel: „Ja, weil meiner Meinung nach nicht so viel Unterrichtsstoff nachgeholt werden konnte, wie wir tatsächlich gehabt hätten, wenn die Schulen offen gewesen wären. Für das neue Schuljahr und die Zukunft wünsche ich mir, dass wir wieder konstant Unterricht in der Schule haben, am Besten ohne Maske!“© SANDRA STRAMBACE